Früh morgens, als noch Nebelschwaden über die Ausläufer der fränkischen Alb ziehen, erreichen wir inmitten von Feldern, Wäldern und Wiesen den kleinen Ort Oberwinstetten. Denn dort liegt, gleich am Ortseingang, unser heutiges Ziel: Der Grafenmichelhof - Bäckerei, Hofladen und Bauernhofgastronomie.
Schon von außen fühlt man sich sofort willkommen und wie daheim: Direkt am hölzernen Eingangstor fällt einem die liebevolle und detailreiche Dekoration auf, deren einladender Eindruck sich auch nach dem Betreten weiter fortsetzt. Blumen, Schilder, Kränze und Laternen sind geschmackvoll arrangiert und machen Laune auf mehr - wir sind gespannt, was uns noch erwartet. Wir werden nicht enttäuscht: Im Innenhof warten urige Holzmöbel unter großen Bäumen auf Besucher, eingerahmt werden sie von einem alten Bauernhof, dem Brothäusle und der »Hitzplatzhütte«. Im Haupthaus befindet sich der Hofladen, aus dem schon der Duft von frisch gebackenem Brot strömt. Im Raum neben dem Hofladen, der Backstube, werkeln Inhaberin Susanne Vaas, Andrea Ganßer und Andreas Peteratzinger trotz der frühen Morgenstunde schon fleißig. Am Mittwoch, am Freitag und am Samstag beginnt hier das Tagwerk schon früh am Morgen. Nach dem Aufstehen wird der Holzbackofen im Brothaus mit großen Holzscheiten angeheizt, die Zutaten für die Brot- und Semmelteige werden abgewogen und in der Knetmaschine zu einer geschmeidigen Masse verarbeitet, geformt und dann in den heißen Ofen geschoben.
In der Backstube hat jeder seine Aufgaben: Susanne schiebt die Laibe in den Ofen, pinselt sie zwischendurch mit Wasser ein und holt sie mit dem Holzschieber heraus. Andrea wiegt mit einer alten Waage Teigberge ab, rollt sie schnell und geschickt zu Stangen und verfeinert sie mit lecken Zutaten wie Oliven, getrockneten Tomaten oder Speck. Andreas, der Hahn im Korb, ist damit beschäftigt, Zitronen mithilfe einer Reibe in eine schaumige Masse aus Butter, Mehl und Zucker zu reiben, aus der schließlich eine Sorte seiner berühmten Dinkelkekse entstehen wird, die es in sechs außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen gibt. Rund 400 Kilo Teig verarbeiten die Drei so in einer Woche und stellen daraus Leckereien wie Bauernbrot, Körnerbrot, Dinkelvollkornbrot, Emmervollkornbrot und einmal wöchentlich ihr Holzofenbrot, aus dem eigenen Holzbackofen, her. Außerdem umfasst das Sortiment reines Sauerteigbrot ohne Hefe und Weizen, Dinkelvollkornsemmeln, helle Semmeln, Olivenstangen, Tomatenstangen, Zwiebel-Schinken-Stangen, Wildkräutersemmeln, Ciabatta, Cantuccini sowie Kekse. Der Großteil davon wird im eigenen Hofladen verkauft. Kompletiert wird das Grafenmichelteam durch die beiden »Herrscherinnen« über Laden und Backhäuschen, Tanja Schipps und Irene Grüb, wobei, wo sie gebraucht wird, auch mal die gesamte Familie des Hofes tatkräftig anpackt.
Warum hier alles so gut schmeckt? »Wir backen nur aus unserem eigenen Getreide. Wir bauen selbst Roggen, Weizen, Dinkel und Emmer an, alles in Naturlandqualität. Das Getreide wird dann geerntet und in der Hausertsmühle gelagert und vermahlen. So können wir das ganze Jahr aus unserem eigenen Getreide Brot backen«, erzählt uns Susanne stolz.
Angefangen hat alles mit der Vision ihrer Mutter, die auf dem gelände des 1904 erbauten reinlandwirtschaftlcihen Hofes mit einer Schweinezucht lieber Ferienwohnungen errichten wollte. Im Jahr 1988 überlegte sie, was sie den zukünftigen Feriengästen als besonderes Erlebnis bieten könnte und hatte schließlich die Idee, das Backhäusle des Hofes wiederzubeleben. Das Backhäusle hatte schon eine lange Tradition am Grafenmichelhof, denn es wurde schon Ende des 17. Jahrhunderts in einem Übergabevertrag erwähnt und im Laufe seiner Geschichte immer wieder renoviert und umgebaut, da die Speicherfähigkeit von Schamottesteinen mit den Jahren deutlich nachlässt.
Was als Hobby begann, sprach sich schnell herum. Auf die Nachbarn folgten Gruppen von Radfahrern, dank guter Mund-zu-Mund-Propaganda florierte der Verkauf der Backwaren schnell und im Jahr 2004 wurde der eigene Hofladen errichtet. „Neben unseren Backwaren haben wir noch Direktvermarkter im Sortiment, weil die Leute auch mal Käse, Wein oder einen Schinken zu ihrem Brot haben wollten“, erklärt Susanne. Ihr Hofladen wird über die Jahre ein beliebter Anlaufpunkt für die Kunden, die es gesund und natürlich mögen, denn das Besondere sind die frischen, regionalen Produkte, die sie zum allergrößten Teil aus der Umgebung bezieht. So bietet der Hofladen eine große Auswahl an heimischen Lebensmitteln wie Apfelchips, Hanfsamen, Kräuterrapsöl, Dinkelnudeln, Eier, Ingwersirup, Käse, Wurst, Bauernhofeis oder frisches Obst an. Gebrauchs- oder Dekorationsgegenstände wie Holzherzen, Kerzen, Dinkelkissen, Postkarten oder Betonschalen, ebenfalls von regionalen Handwerkern, ergänzen das Angebot.
Über den Facebook- und Instagram-Account hält das kleine Team des Grafenmichelhofes seine Kunden auf dem Laufenden und bewirbt dort saisonale Aktionen, wie beispielsweise den regionalen Adventskalender oder den Weihnachtlichen Grafenmichelhof. »Am Weihnachtlichen Grafenmichelhof, einer Art kleiner Weihnachtsmarkt am dritten Adventswochenende, stellen bei uns am Hof kleinere Betriebe und Kunsthandwerker ihre Produkte aus und beim regionalen Adventskalender können die 24 Türchen ganz individuell mit regionalen Produkten wie Kräutersalz, Ölen, Keksen, Kerzen mit Handlettering, Sperrholzanhängern bestückt werden«, erzählt uns Susanne begeistert.
Ein weiteres Highlight im Veranstaltungskalender des Grafenmichelhofes sind die »Hitzplatz-Essen«, die von Anfang Mai bis Oktober im wunderschönen Biergarten oder der gemütlichen Hitzplatz-Hütte stattfinden. An diesen Abenden wird die fränkische Spezialität nach einem alten Familienrezept aus einem hellen Brotteig mit Zwiebeln, Lauch und Speck hergestellt und wandert anschließend für einige Minuten in den 500 Grad heißen Holzbackofen. Susanne erklärt uns den Ablauf eines solchen Abends: »Weil er heiß am besten schmeckt, bekommen bei uns die Leute erst einige Stücke zum Probieren und dann kann man den ganzen Abend essen, bis man satt ist. Vorab bieten wir einen Salatteller an und ganz zum Schluss backen wir immer Fladen mit Butter und Salz, dazu gibt es noch verschiedene Brotaufstriche. Bei den Getränken setzen wir auf regionale Hersteller, Cola und Fanta gibt es bei uns nicht. Es gibt Hesselberger Säfte und Most aus den eigenen Äpfeln von der Streuobstwiese nebenan. Die werden gepresst und daraus machen wir unseren eigenen Most. Die Leute können außerdem beim Hitzplatz Machen zuschauen und Kinder dürfen ihre eigene Pizza belegen. Eine Reservierung vorher ist aber zwingend notwendig, weil wir den Holzofen fünf Stunden vorher anfeuern müssen und weil wir alle Zutaten regional und frisch vorbereiten. Wir bieten das Ganze zwei oder dreimal pro Woche, meistens samstags und mittwochs und donnerstags an.«
Auch wenn die Hitzplatzabende meistens gut besucht sind und der Laden viele zufriedene Stammkunden hat, macht sich die Inflation auch hier bemerkbar. »Ich mache das seit 2014 und die Kundenzahlen haben bisher stetig zugenommen. In Coronazeiten liefen die Geschäfte sehr gut, aber jetzt merkt man schon, dass viele Leute wegen der allgemeinen Preisentwicklung an den Lebensmitteln sparen,« sagt Susanne. Nichtsdestotrotz blickt sie optimistisch in die Zukunft: Ihre beste Werbung ist die Mund-zu-Mund-Propaganda ihrer zahlreichen zufriedenen Kunden. Trotzdem wird aktuell an einer Website gearbeitet, auf der Kunden Informationen zu den Produkten, zu aktuellen Themen und Veranstaltungen finden können. Später soll auch die Möglichkeit bestehen, sich online einen Geschenkkorb nach Wunsch zusammenzustellen, der dann fix und fertig im Hofladen abgeholt werden kann.
Wenn es dich bis jetzt noch nicht nach Oberwinstetten verschlagen hat: Ein Besuch lohnt! Egal ob zum Brot, Semmel oder Kekse Kaufen, zum Hitzplatz Essen oder zum weihnachtlichen Grafenmichelhof, der wunderschöne Hof und seine großartigen, regionalen Produkte sind einen Abstecher in den idyllischen Dinkelsbühler Ortsteil wert.