Geschichte steht nicht nur trocken in Büchern geschrieben: Hinter Denkmälern, Häuserfassaden und Artefakten verbergen sich oftmals faszinierende Geschichten. Der seit 1993 alljährlich stattfindende »Tag des offenen Denkmals« ermöglicht es den Besuchern, auf eine Entdeckertour in die Vergangenheit zu gehen. Unter dem diesjährigen Motto »Kulturspur. Ein Fall für den Denkmalschutz« wird der Frage nachgegangen, welche Erkenntnisse und Beweise sich durch die Begutachtung der originalen Denkmalsubstanz gewinnen lassen. Welche Spuren hat menschliches Handeln über die Jahrhunderte hinweg und viele Zeitschichten hindurch hinterlassen? Welche »Taten« wurden im und am Bau verübt? Und welche Schlüsse zieht die Denkmalpflege daraus? Auf dem Programm stehen dieses Jahr interessante Führungen in Feuchtwangen, Rothenburg ob der Tauber und Dinkelsbühl.
In Feuchtwangen bietet Peter Schlecht um 14.00 Uhr eine Führung an, die zunächst in die Handwerkerstuben führt. Bei dem Museum, einer externen Abteilung des Fränkischen Museums, handelt es sich um original erhaltene Werkstatteinrichtungen von Feuchtwanger Handwerkern, wie eines Töpfers, eines Zinngießers, eines Schuhmachers oder eines Zuckerbäckers. Im Anschluss geht die etwa zweistündige Führung im berühmten Kreuzgang, direkt unter den Handwerkerstuben, weiter. Der Kreuzgang mit seinen schönen rundbogigen Arkaden stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und war Teil des einstigen Benediktinerklosters in Feuchtwangen. Aufgrund der kleinen Räume in den Handwerkerstuben wird eine vorherige Anmeldung per E-Mail oder Telefon empfohlen.
In Rothenburg ob der Tauber gewähren gleich sieben außergewöhnliche Lokalitäten einen Blick hinter die Kulissen. In Kooperation mit dem Verein Alt-Rothenburg e. V. führen am Aktionstag Führungen in wichtige historische Orte der Stadt, wie beispielsweise dem Kaisersaal im Rathaus, ins Dominikanerkloster, in die Franziskanerkirche und in zwei Wohnhäuser in der Judengasse.
Interessierte erwartet im Rathaus die Führung »Architektur und historische Bedeutung des Kaisersaals« mit Oberbürgermeister Dr. Markus Naser. Er erläutert zum einen Informationen über die bemerkenswerte Architektur des Saales mit seiner freitragenden Holzdecke, die dem Kaisersaal eine Ausnahmestellung unter den Festsälen Süddeutschlands verleiht. Zum anderen gibt es Fakten zu seiner historischen Bedeutung, denn er wurde zur Ratswahl, für Sondersitzungen in Krisenfällen, zu Gerichtstagen und zur Vereidigung neuer Bürger der Stadt genutzt und vereinte so viele, für eine mittelalterliche Stadt, bedeutsame Funktionen.
Ebenfalls am Marktplatz kann man mit der gleichnamigen Führung »Der Kunst der Uhren auf die Spur« gehen, denn das Dachgeschoss der Ratstrinkstube bewahrt zwei bedeutsame Uhrwerke: die mechanische Schlagwerkuhr des berühmten Nürnberger Stadtuhrmachers Johann Carl Landeck, sowie die Kunstuhr des »Meistertrunks« von 1910 des Hof-Uhrmachers Gustav Speckhart und des Rothenburger Großuhrmachers Friedrich Holzöder. Der Mechanismus der Kunstuhr wurde an die mechanische Uhr angeschlossen. Wie diese Verzahnung beider Uhrwerke genau funktioniert, wird in dem Vortrag jeweils um die volle Stunde erklärt.
Etwas grusliger geht es im »Untergrund« des Büttelhauses am Markusturm zu: Das heutige Stadtarchiv Rothenburgs wurde früher als Gefängnis in der Tauberstadt genutzt, in dem die »Büttel« Tatverdächtige und Schwerverbrecher in den Zellen bewachten. Neben solchen Details der früheren Stadtgeschichte, erläutert Stadtarchivar Dr. Florian Huggenberger bei der Führung »Im Untergrund des Büttelhauses« auch interessante Details rund um die besondere Architektur des Büttelhauses.
Spannenden Fragen wie etwa: »Wie entstand eine mittelalterliche Siedlung und welche Rolle spielte eine Burg? Welche Viertel lassen sich wie identifizieren?« werden auf dem Spaziergang »Wie baut sich eine mittelalterliche Stadt auf?« durch die Stadtgeschichte mit dem Stadtheimpfleger Hans-Gustav Weltzer nachgegangen. Er skizziert dabei die verschiedenen Phasen der Stadterweiterung und geht insbesondere auf die ablesbaren Spuren sozialer Schichtung ein.
Gleich drei Vorträge nehmen die Besucher mit auf die Veränderungen und Renovierungen in der Judengasse in den letzten 30 Jahren. Bei »Zwei Wohnhäuser in der Judengasse« erhält der Zuhörer viele Informationen rund um das Thema energetisches Bauen an Denkmälern und welche Herausforderungen sich bei der Planung und der Durchführung der Sanierung eines Denkmals stellen.
Mehr über eine der ältesten Kirchen Rothenburgs kann man auf zwei Führungen erfahren, die die »Kulturspuren an der Franziskanerkirche« näher beleuchten. Um 14.00 Uhr zeigt Dr. Oliver Gußmann die wichtigsten Merkmale und Spuren der Entwicklung dieses Kirchenraumes auf und erklärt, was es dabei historisch mit »Otto und Günter« auf sich hat. Anschließend, um 14.30 Uhr stehen bei der Führung von Bernd Hußenöder, Bauingenieur und Tragwerksplaner, die Besonderheiten der Konstruktion des Giebels der Franziskanerkirche im Mittelpunkt.
Jeweils um 11.00 Uhr und um 13.00 Uhr führt Dr. Hellmuth Möhring, der ehemalige Leiter des RothenburgMuseums, interessierte Besucher durch die wechselvolle Baugeschichte des einstigen Dominikanerinnenklosters und erläutert die zahlreichen baulichen Erweiterungen und Veränderungen, deren Hintergründe und die unterschiedlichen Nutzungen des Klosters.
In Dinkelsbühl eröffnet bereits am Vorabend ab 18.00 Uhr die traditionelle Weinschänke der Patenstadt Edenkoben den Tag des Offenen Denkmals. Im stimmungsvollen Innenhof des Spitalhofs können die Besucher rund um den oberen Brunnen bei einem Glas Pfälzer Wein und einem deftigen Vesper den Abend genießen.
Ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt bietet die Stadt Dinkelsbühl dann am Sonntag in einer autofreien Altstadt von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Bei besonderen Themenführungen werden die Sagen und Geschichten der Stadt näher beleuchtet. So wird zum Beispiel bei der Führung »Das Dinkelsbühl der Staufer« das Leben, Wohnen und die Mode im Hochmittelalter näher beleuchtet und beim Rundgang »Nur dem Kaiser untertan« wird Dinkelsbühl zu Zeiten des Kaisers wieder lebendig.
Wer sich für das Thema Religion interessiert, kommt an diesem Tag voll auf seine Kosten: eine geführte Besichtigung des Münsters St. Georg um 14.30 Uhr oder die Öffnung der Heiliggeistkirche stehen ebenso auf dem Programm wie die Themenführung »Wer’s glaubt wird selig.«.
Außerdem bietet der Tag eine hervorragende Gelegenheit, die große Vielfalt künstlerischen Schaffens zu erleben. Eine Möglichkeit, die Geschichte hinter den Skulpturen an der Alten Promenade zu erfahren, ist ein Rundgang mit der Familie Christ. Die Hausherren geben Interessantes über den Park, die Kunstwerke des Künstlers Thomas Röthel zum Besten und erzählen, welche Geheimnisse das Gelände sonst noch birgt.
Die Ausstellung »Dinkelsbühl in Historischen Aufnahmen« zeigt Schwarz-Weiß-Fotografien der Stadt aus der Zeit von 1870 - 1920, aufgenommen von Dr. Hans-Dieter Metzger und Rosmarie Hauser-Metzger, die mit den alten Fotografien auf unvergleichliche Weise die Stadtbilder vergangener Zeiten wieder lebendig werden lassen.
Im Alten Bauhof gibt es ein offenes Atelier der Künstlervereinigung Art+Farbe und die Sonderausstellung »Bruchstücke« mit Werken des Holzbildhauers Peter Helmstetter bietet im Haus der Geschichte Kunst auf hohem Niveau.
Auf einem Spaziergang durch die Altstadt kann die ganze Familie allerhand weitere Sehenswürdigkeiten besichtigen: Besucher können die Proberäume der Knabenkapelle besichtigen, das Kinderzech-Zeughaus öffnet seine Pforten und im Haus der Geschichte können Kinder die Stadtgeschichte spielerisch erfahren. Im Spitalhof präsentieren sich Vereine, wie zum Beispiel die Fratres Amorum 1188 e.V. und der historische Verein Alt Dinkelsbühl e.V., und geben den interessierten Besuchern Einblicke in ihre Arbeit. Im Vorbau des Rothenburger Torturms, der Barbakane, präsentieren die Freunde historischer Spiele in der historischen Spielhölle längst vergessen geglaubte Brett- und Würfelspiele, die man bei einem Besuch selbst ausprobieren kann.
Für das leibliche Wohl ist selbstverständlich auch gesorgt. Besucher finden ein breites Angebot an leckeren Köstlichkeiten, denn die zahlreichen Restaurants und Cafés laden zum gemütlichen Schlemmen und Verweilen ein. Ein einmaliger Ausklang findet auf der Freilichtbühne am Wehrgang statt, wo ab 16.00 Uhr unter der musikalischen Leitung von Harald Simon Stücke von Hans Schleinkofer gespielt werden.
Lass dir diese einzigartige Möglichkeit nicht entgehen, denn wo kann man das historische Flair besser genießen als vor der Kulisse unserer wunderschönen mittelalterlichen Städte?