Heimkommen | Newsblog

Die Region entdecken

» Vom Landturm zur Windmühle «

31. Oktober 2025 | Die Region entdecken|0|

Wer heute durch den kleinen Ort Neustett, einem Ortsteil der Gemeinde Adelshofen oberhalb des lieblichen Taubertals nahe Rothenburg ob der Tauber, fährt, dem fällt sofort ein ungewöhnliches Gebäude ins Auge: ein mächtiger Rundturm, der alle umliegenden Häuser überragt. Dieser eindrucksvolle Bau ist die ehemalige Ölmühle von Neustett, deren Geschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht – eine Geschichte von Ehrgeiz, technischen Herausforderungen und persönlichem Schicksal.

Inschrift auf der Ölmühle in Neustett bei AdelshofenIm Jahr 1790 begann der Müller Georg Leonhard Schott aus Neustett ein ehrgeiziges Projekt. Er ließ sein Wohnhaus abreißen, um an dessen Stelle einen mächtigen Rundturm zu errichten, der ursprünglich als Landturm aus dem Jahr 1450 zwischen Gickelhausen und Großharbach gestanden hatte. Diesen Turm kaufte Schott von der Stadt Rothenburg ob der Tauber, ließ ihn Stein für Stein abtragen und in Neustett wieder aufbauen. Noch heute erinnert eine Inschrift an der Fassade an dieses außergewöhnliche Bauvorhaben. Die gesamten Kosten für den Wiederaufbau und die Einrichtung der Mühle beliefen sich auf stolze 1900 Gulden – eine beachtliche Summe für jene Zeit.

Bereits 1791 wurde die Windmühle erweitert: Neben dem Ölmahlwerk kamen Anlagen zum Gipsmahlen und Tuchwalken hinzu. Doch das ehrgeizige Vorhaben erwies sich als schwierig. Der Wind reichte offenbar nicht aus, um den Betrieb wirtschaftlich zu betreiben. Schott plante daher 1793, seine „Öl-, Walk- und Gipsmühle“ an den Ortsrand von Neustett zu verlegen, um das dort fließende Wasser als Antriebskraft zu nutzen. Doch Geldmangel und fehlende Unterstützung durch die Dorfbewohner machten diesen Plan zunichte.

Ölmühle in Neustett bei AdelshofenDas Schicksal meinte es auch persönlich nicht gut mit dem Ölmüller. Noch im selben Jahr verließ Schott seine Frau Eva Barbara Schott (geb. Hain aus Finsterlohr) und floh mit einer anderen Frau. Nach der Scheidung im November 1793 heiratete Eva Barbara im Dezember 1794 den Schreiner Johann Ernst Habel, der die Mühle zunächst weiterführte. Wegen ausbleibender Aufträge musste jedoch auch er den Mühlenbetrieb bald einstellen und verkaufte die technische Einrichtung sowie das Windrad.

Wann die Mühle endgültig ihren Betrieb einstellte, ist nicht genau überliefert. Im Laufe der Jahre wechselte der Rundturm mehrfach den Besitzer und erfuhr verschiedene Nutzungen. Statt des alten Windrades erhielt er einen Dachreiter mit dem Gemeindeglöcklein und einer öffentlichen Turmuhr, diente später sogar als Dorfgasthaus und beherbergte um 1967 die örtliche Raiffeisenkasse.

Heute steht der Rundturm als stiller Zeuge einer bewegten Vergangenheit in Neustett. Er erinnert an die Zeit, als Wind und Handwerkskunst die treibenden Kräfte des ländlichen Lebens waren – und an den Mut eines Müllers, der versuchte, aus einem alten Wachtturm ein modernes Mühlenwerk zu machen.

Wir wünschen dir viel Spaß beim Entdecken!

Julia & Sandra